Der neue Bericht des Club of Rome – „Rising Inequality Risk Regional Collapse and Climate Catastrophe

Vor einigen Tagen veröffentlichte der Club of Rome eine neue Studie unter dem Namen „Earth for All – A Survival Guide for Humanity“. Diese Studie wurde in einem mehrjährigen Forschungsprojekt von zahlreichen Wissenschaftlern verfasst und beleuchtet, inwiefern Veränderungen des wirtschaftlichen Systems die Zukunft der menschlichen Zivilisation beeinflussen.

Innerhalb des Berichtes stellen die Forscher zwei Szenarien vor; Too Little, Too Late (Zu wenig und zu spät) sowie The Giant Leap (Der Große Sprung); diese Szenarien bewerten, wie Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Ressourcen- und Verschmutzungsentwicklungen der Zukunft aufgrund Entscheidungen innerhalb dieser Dekade langfristig beeinflusst werden.

Das Too-Little-Too-Late-Szenario beschreibt eine Situation, in der die Welt in ihren ökonomischen Bahnen der letzten vierzig Jahre weiterfährt, sodass Ungleichheit und soziale Spannungen innerhalb sowie zwischen Ländern zunehmen; damit sei ein adäquates Begegnen der Probleme des Klimawandels nur eingeschränkt möglich, der Lebensstandard sinke entsprechend.

Das Giant-Leap-Szenario präsentiert hingegen einen möglichen Lösungsweg, durch welchen der Temperaturanstieg bis auf unter 2°C begrenzbar sei; zudem stabilisiere sich dabei die Weltbevölkerung auf etwa neun Milliarden Menschen bis 2050, die alle nicht mehr in Armut leben müssten. Durch entsprechende Politiken solle es gelingen, dass globale Armut endet, soziale und geschlechterbezogene Ungleichheit abnimmt, die Landwirtschaft sich wandelt und eine vollständige Transition hin zu sauberen Energiequellen bis 2050 stattfindet; dafür seien laut den Autoren der Studie nur 2-4% des jährlichen BIP an gezielten Investitionen notwendig, Finanzquellen, die durch Vermögenssteuer und ähnliche Instrumente abgeschöpft werden sollen.

Insgesamt liege damit die Zukunft der Erde in unseren Händen der Gegenwart. Ein beherzter und konsequenter Wandel könne eine lebenswertere und gerechtere Welt hervorbringen, während eine Fortführung der momentanen Art und Weise des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zukünftig in Armut, sozialen Konflikt, Leid und massiver Schädigung der Umwelt münde.

Eine ausführlichere Zusammenfassung findet ihr auf der Website des Club of Rome unter diesem Link:

Bildquelle: Wassily Kandinsky, Apokalyptische Reiter I, 1911, Tusche, Öl, Blattmetall hinter Glas, in bemaltem, originalem Rahmen, 29,5 cm x 20,3 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/apokalyptische-reiter-i-30013101

Warum Demokratien bei der Bekämpfung des Klimawandels scheitern

Man könnte erwarten, dass Demokratien aktiver den Klimawandel bekämpfen als Nicht-Demokratien. Demokratien sollten mehr die Lebensqualität ihrer Bewohner berücksichtigen, während autoritäre Regime mehr die Interessen ihrer eigenen Machthaber vertreten. Zudem sollten demokratische Institutionen eine höhere Responsivität in Bezug auf soziale und wissenschaftliche Stimmungen/Meinungen für mehr Klimaschutz aufweisen. Und die der Demokratie inhärente Idee von Legitimität sollte zu mehr Kooperation und Austausch zwischen Bürgern untereinander und zwischen den Bürgern und Staat führen.

Empirisch findet sich für diese Hypothese aber nur begrenzte Unterstützung. Bürger in Demokratien haben in der Tat stärkere Präferenzen für die Ökologie bewahrende Politiken. Zudem verpflichten sich Demokratien auch zu strengeren ökologischen Auflagen, z.B. in Rahmen von internationalen Verträgen. Trotzdem ist das empirische Verhältnis zwischen Demokratie und gängigen Ökologievariablen, wie Abholzungsraten, C02-Emissionen oder Bodenerosionen, ambivalent; zahlreiche Studien finden nur einen leicht positiven oder keinen Zusammenhang, einige berichten sogar von einem negativem. Dabei ist spannend, dass innerhalb dieses Zusammenhanges demokratisches Kapital (also die Jahre des Auftretens von Demokratien in einem Land) einen positiven Einfluss auf ökologische Faktoren hat, aber dann nicht mehr das Vorhandensein einer Demokratie selbst. Dies impliziert möglicherweise, dass die positiven Aspekte der Demokratie nicht in den Strukturen selbst, sondern vielmehr in den vermittelten Werten und Selbstverständnis liegen, die Zeit brauchen, um zu wachsen.

Für diesen Zusammenhang gibt es zahlreiche mögliche Ursachen. Das größte Problem, welches alle Staaten dieser Welt betrifft, ist das internationale kollektive Handlungsproblem; also, dass der Einsatz eines Staates für mehr Klimaschutz und geringen Emissionen nicht rational ist, solange nicht andere Länder ebenfalls handeln. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die allgegenwärtige Kurzfristorientierung in Demokratien, also eine Priorisierung der Gegenwart über die Zukunft, was in Demokratien wegen Wahlzyklen und machtgetriebenen politischen Akteuren häufiger auftritt, wodurch Klimapolitiken, die häufig die lange Frist betreffen, nicht adäquat berücksichtigt werden. Außerdem spielen auch Veto-Akteure eine relevante Rolle, da diese die Macht haben, Entscheidungen zu blocken, abzuschwächen oder zu verzögern. Dies ist besonders in Hinblick auf Klimapolitik problematisch, da viele divergierende Interessen aufeinandertreffen und Minderheitsinteressen in Bezug auf Klimapolitiken nicht selten einen hohen politischen Einfluss und Unterstützung haben (z.B. die Kohlelobby). Darüber hinaus haben umweltpolitische Maßnahmen sehr häufig Verteilungseffekte, da je nach Maßnahme unterschiedliche Gruppen entsprechend schwächer oder stärker getroffen wären und diese für jeweils andere Maßnahmen entsprechend Lobbying betreiben oder die Politiken überpolitisieren. Zuletzt spielen auch die Eigeninteressen politischer Akteure, die suboptimale Entscheidungen treffen, um sich selbst zu bereichern, was besonders im Bereich der Umweltpolitik leicht realisierbar ist, und das wachsende Misstrauen gegenüber Experten in entwickelten Industrienationen, welches gerade in pluralistischen Demokratien, u.a. getrieben durch Social Media, auf dem Vormarsch ist, einen entscheidenden Beitrag zum Problem.

Diese Probleme könnten durch einige Lösungsansätze abgeschwächt werden. Um das internationale kollektive Handlungsproblem abzumildern, könnte nach einer Idee des Wirtschaftsnobelpreisträgers Nordhaus ein Klimaklub errichtet werden, welcher auf Basis eines einheitlichen CO2-Preises und durch Strafzölle gegenüber Nichtmitgliedern das Trittbrettfahrerproblem umgehen soll. Weiterhin könnte die Kurzfristorientierung der Politik durch die Errichtung von Institutionen, die langfristige Maßnahmen bindend machen, sowie durch ein erhöhtes öffentliches Bewusstsein vermieden werden. Verteilungseffekte umweltpolitischer Maßnahmen könnte man durch bindende Kompensationsmechanismen unterbinden. Zuletzt könne man Eigeninteressen der politischen Akteure durch mehr Transparenz und eine erhöhte Medien- und Wählerinvolvierung abmildern.

Demokratie wirken weniger dem Klimawandel entgegen, als man aus einer Vielzahl an Gründen annehmen könnte. Ursachen für diesen Sachverhalt liegen in dem internationalen kollektivem Handlungsproblem, einer Kurzfristorientierung der Politik, der Rolle von Veto-Akteuren im politischen Wettkampf, implizierten Verteilungseffekte durch Umweltpolitiken, Eigeninteressen politischer Akteure und einem wachsenden Misstrauen gegenüber Experten; ein Ausweg aus der Situation wird nicht einfach sein, aber Wege existieren und tun sich auf, vorausgesetzt eine breite Basis in der Bevölkerung und Politik tragen diese.

Bei Fragen zu den zugrundeliegenden Quellen, könnt ihr uns gerne per E-Mail anschreiben.

Die Natur und Wir – Ein kurzer Aufsatz über ein schwieriges Verhältnis

Die Natur, glorifiziert und vergöttert, instrumentalisiert und geschunden, viel hat sie durchmachen müssen, Wandel um Wandel erlebend, wenngleich unscheinbar das Ewige symbolisierend.  In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels gerät dieses Bild ins Wanken; man muss sich einmal mehr fragen, inwiefern unser Verständnis und Verhältnis gegenüber der Natur mit dazu beigetragen haben, dass die gegenwärtige Entwicklung überhaupt zu einer Möglichkeit geworden ist, und wie ein Wandel in unserem Verständnis zur Natur uns bei der Eindämmung des Klimawandels helfen könnte.

Unser Verständnis der Natur gegenüber, die Natur wird allgemein definiert als das nicht menschlich Geschaffene, war einer Vielzahl historischer und geographischer Wandel unterworfen. In Urzeiten der Kampf gegen die Gewalten, primär ein Überleben gegen die Natur, aber ein Leben in Übereinstimmung mit dieser; häufig wird sie als vollkommene Macht mit ihren einzelnen Suberscheinungen durch die Völker in Regungen kulturellen und göttlichen Bewusstseins verehrt. Jahrtausende später, in denen die Menschen sesshaft werden und erste Zivilisationen ausbilden, werden an manchen Orten erste philosophisch begründete Theorien zum Mensch-Natur-Verhältnis entwickelt und niedergeschrieben. In der Welt des antiken Europas dominierte früh Gedanken, die die Natur als etwas außerhalb des Menschen Stehenden und damit von ihm Abhängigen betrachtet, welches begriffen und beherrscht werden kann. Im fernen Osten hingegen werden Menschen und Natur als Gesamtheit des Seins betrachtet, Mensch und Natur sollen harmonisch miteinander verweilen, woraus die Achtung der Natur durch den Menschen erwächst. In der westlichen Philosophiegeschichte bestehen die Gedanken der Antike fort, getragen durch christliche Lehren. Natur wird betrachtet durch ihr Verhältnis zum Menschen mit dem tendenziellen Ziel, diese zu beherrschen und zu erklären (v.a. in der Moderne bei Descartes, Locke und Bacon). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Spinoza, der Gott „naturalisiert“ und damit die Natur zu etwas tief Religiösem macht) wird die Natur im Christentum zu einer Art Materie ohne intrinsischen Wert.

Eine erste Abkehr lässt sich aus Leibniz‘ Schriften herauslesen; seine Idee der monadischen Harmonie innerhalb der Natur kann als Abkehr des Verständnisses der Natur als mechanistisches Wirkungsgebilden verstanden werden. Die Natur ist vielmehr Materie, der Leben und eine innere Dynamik innewohnt. Nachdem erste Kultur- und Zivilisationskritik durch Rousseau laut geworden ist und andere Denker, wie u.a. Goethe, sich aus zum Teil, aber nicht ausschließlich religiösen Gründen der Natur als Instanz zuwandten und ihr ebenbürtig begegneten, brachte Schelling diese aufkeimenden Gedanken in seiner Naturphilosophie unter. Schelling meint, dass der Natur ein Subjektcharakter innewohnt, da ihr selbst Prinzipien immanent sind, die Natur selbst schafft und bis zu einem gewissen Gerade menschenähnlich agiert; damit muss der Natur Raum und Freiheit gewährt werden. Mit dieser Auffassung hebt sich Schelling deutlich von den anderen Philosophen des deutschen Idealismus ab, die meist zwischen erkenntnistheoretisch begründetem Menschenzentrismus und Ansätze einer „freien Natur“ in Tradition von Leibniz stehen; folglich erlebt Schellings Naturauffassung in der kommenden Periode der Romantik eine Blütezeit. Eine neue Dimension wurde auf unser Verständnis zur Natur Jahrzehnte später durch Nietzsche gelegt. Innerhalb dessen Analyse veränderte sich der Fokus; Nietzsche fokussierte sich primär darauf, das Verhältnis des modernen Menschen zur Natur zu verstehen.  Auch wenn er in kantischer Tradition dem Menschen das Recht zur Naturaneignung zuspricht (u.a. im Rahmen seines Willens zur Macht), stellt er Kluft zwischen dem damals modernen Menschen und der Natur fest, die sich auch in der Unterdrückung der menschlichen Natur widerspiegelt; Natur wird auf Zahlen und Stoff reduziert, wodurch der Mensch sich ihrer entfremdet. Nietzsche versteht entsprechend Teile seiner Schriften als Versuch das menschliche Subjekt und die kosmische Natur zusammenzuführen. In diesem Rahmen spricht Nietzsche von der Bedeutung, dass der Mensch sein unbedeutendes Sein und sein tragisches Schicksal annimmt und sich der Natur unterwirft, um sich von dem Irrtum des Egoismus abzukehren, hin zu einem höheren Sinn des Kosmos. In Goethes und Nietzsches Tradition argumentiert Spengler, der in der voranschreitenden Technologisierung das Ziel der Besiegung der Natur sieht. Die so erschaffene Welt ist dem Menschen untertan, direkt von diesem errichtet, allerdings erhebt sich diese Welt selbst über den Menschen und „knechtet“ ihn und bleibt ihm fremd, während die Natur dem Menschen immer fremder wird. Adorno und Horkheimer und andere Philosophen der kritischen Theorie fokussierten sich auf die Unterwerfung und Aneignung der Natur durch den Menschen und die kapitalistischen Strukturen. Dabei gehen durch die fortschreitende Technologisierung und den fortschreitenden Kapitalismus Menschheits- und Naturbeherrschung miteinander einher; der beherrschte Mensch ist unfrei, gefangen in den Strukturen, entfremdet von der Natur. Wo stehen wir gegenwärtig, in Zeiten, in denen Eismassen brechen und schwinden, Lebewesen nach Lebewesen ausstirbt und die zu atmende Luft tödlich sein kann?

Im folgenden Abschnitt wird Natur eng definiert, um den Bezug zu den gegenwärtigen Entwicklungen des Klimawandels herzustellen. Als Natur wird die nicht-menschliche oder menschengemachte Substanz (Dinge mit räumlicher Präsenz, also keine Ideen etc.) der Erde verstanden.

Eine Diagnose hinsichtlich des gegenwärtigen Verhältnisses der Menschheit zu der Natur zu stellen, von welcher man allgemeine Validität abverlangt, wäre mehr als anmaßend; dafür sind Kulturen und Menschen glücklicherweise noch verschieden genug. Trotz alledem lassen sich durchaus einige Sachverhalte beobachten und Mutmaßungen aus ihnen ziehen. Generell ist das heutige Verhältnis der Menschen zur Natur in den entwickelten Ländern geprägt durch ein Spannungsverhältnis, resultierend aus zahlreichen Gegensätzen. Es lässt sich eine zunehmende Tendenz zur Wertschätzung der Natur in breiteren gesellschaftlichen Kreisen beobachten, die in mehr öffentlicher Aufmerksamkeit für Umweltproblematiken sowie in mehr Engagement für den Naturschutz mündet. Gleichzeitig wird die Natur weiter zurückgedrängt, die Entfremdung setzt sich fort; zudem halten Naturzerstörung und Naturausbeutung an. Natur hat ihren Bedrohungscharakter abgeworfen und genug Distanz zur Menschheit eingenommen, dass die Menschen der entwickelten Welt diese als Freizeitobjekt wahrnehmen. Dieser Objektcharakter ist nicht zwangsläufig problematisch und zu einem gewissen Grade auch im menschlichen Umgang mit seiner Außenwelt selbstverständlich; allerdings besteht durchaus die Gefahr zu verkennen, dass trotz diesem Objektcharakter für den Menschen die Natur auch einen Subjektcharakter haben kann. Weiterhin sollte man zumindest hinterfragen, inwiefern einige dieser Wandlungen hin zur Natur nicht auch instrumentell durch die Suche nach einer Gruppenzugehörigkeit und selbstdarstellende Individualisierung begründet sind.

Aber was implizieren diese oben genannten Beobachtungen weitergehend? Neben offensichtlichen Implikationen schimmern einige etwas unscheinbarer durch. Die fortlaufende Entfremdung macht es schwieriger, die Natur ihrem Wesen nach zu beurteilen, da Kenntnis und Verbindung fehlen; somit mangelt es an Resonanz der Menschen auf der Suche nach immateriellen oder einem physiozentrischen Wert der Natur. Die Parallelität der fortlaufenden Zerstörung der Natur und der Bemühungen für mehr Naturschutz beschwört einen zwar notwendigen, allerdings auch schädlichen Diskurs, der die Menschheit zum Richter über das Schicksal der Natur macht und somit entscheidend zu ihrer Objektivierung beiträgt. Die Regression der Natur zu einem Freizeitobjekt, obgleich durch die physische Annäherung eine aus den Erfahrungen wachsende Bindung entstehen können, kann eben auch als neue Form der Usurpation im Verhältnis gesehen werden. Die Menschen manifestieren dadurch den Objektstatus der Natur, die Gefahr des Anthropozentrismus und der Kommerzialisierung liegt in der Luft; man fragt implizit nur noch, was die Natur dem Menschen zu bieten hat. Auch das oben angeführte allgemein präsente Spannungsverhältnis ist dem Zwecke zwar vielleicht durch vermehrte Aufmerksamkeit in der Wahrnehmung dienlich, allerdings rückt es eben den eigentlichen Gegenstand ins Abseits und birgt die Gefahr eines Diskurses, dem die eigentliche Substanz abhandenkommt, gerade durch die zunehmende Divergenz zwischen Debattengegenstand und der Realität der Debattenführenden.

Wir müssen uns bewusst machen, dass unser Verständnis der Natur unseren Umgang zur Außenwelt und spezieller im Hinblick auf den Klimawandel prägt. Ein verändertes Naturverständnis sollte bei der Eindämmung des Klimawandels helfen, indem es uns die Natur näherbringt, Prozesse der Entfremdung versucht umzukehren und eine Versöhnung mit offenen Karten anstrebt. Weiterhin werden derartig die Grenzen technologischer Apparaturen aufgezeigt, da, selbst wenn diese die ihnen auferlegten Anforderungen bravourös meistern, die Frage bleibt zu welchem Preis dies für die Natur und damit indirekt für die Menschheit geschieht. Es geht hierbei auch nicht darum, Mitleid für jeden Staubkorn der Natur zu entwickeln und diesen moralisch aufzuwerten, sondern lediglich der Natur als Gesamtheit, Einheit und Zusammenspiel des außermenschlichen Lebens auf Erden, einen Wert/ein Recht auf Subsistenz zuzusprechen.

Generell geht es darum einen Wert der Natur zu begründen, der unabhängig von dem instrumentellen und theozentrischen Wert steht, auch wenn selbst instrumentelle und theozentrische (für entsprechend gläubige Personen und Gruppen) Werte der Natur häufig nicht entsprechende Berücksichtigung im öffentlichen Diskurs finden. Diese Abkehr von instrumentellen Werten bietet auch die Möglichkeit an, Argumente für den Klimaschutz zu finden unabhängig von der Prognosenunsicherheit, ethischen Abwägungen der Interessen kommender Generationen, der Ferne der Zukunft, in denen erst wirklich großflächigere Probleme auftreten werden, und von dem internationalen kollektiven Handlungsproblem (also die nationale Irrationalität, tätig zu werden, ohne dass international ebenfalls gehandelt wird). Zum einen müssen die Menschen die Natur als einen ihr inhärenten, prägenden Teil betrachten, der vor allem innerhalb ihrer Historie sie geprägt hat. Wir entstammen nun einmal evolutionär bedingt der Natur und ihren Gewohnheiten und Gesetzmäßigkeiten. Jahrmillionen lang würden wir durch sie geprägt und geformt und zu Beginn in das Leben erhoben. Dieses Faktum zu verdrängen und zu verbannen, ist eine gefährliche Eigenart, die dem Menschen aus seinem Sein herausreißt und ihn in eine künstliche Welt hineinsetzt, die beliebig formbar und beherrschbar ist. Innerhalb dieses Rahmens war und bleibt die Natur für die Menschheit eine Spiegelbildfläche als außerhalb ihrer existierender Raum, der nicht selbst von ihr begründet wurde. Ohne ein Bewusstsein für dieses unabhängig Existierende verliert die Menschheit eine wichtige Reflexionsquelle; jede Handlung und Entscheidung wäre geprägt durch Willkür. Eng verwebt mit den geäußerten Gedanken sind zwei weitere. Zum einen kann die Natur als Bedingung von Kunst und Kultur gesehen werden. Seien es die Anfänge der Kultur in der Naturanbetung und daraus erwachsende Mystifizierungen oder das Nachempfinden des Naturschönen in der Kunst. Obgleich sich viele Bereiche mittlerweile emanzipiert haben, ist aus den oben genannten ein Rückbesinnen von großer Bedeutung, um bedeutsame Wesen und nicht leere Dinge zu erschaffen. Zum anderen erwächst aus der Natur eine zentrale Komponente menschlicher Freiheit, gerade in zivilisierten Gesellschaftsstrukturen. In einer der Natur entfremdeten Gesellschaft ist der Mensch den gesellschaftlichen Strukturen und Eigenheiten unterworfen; machtlos läge er in Ketten da, denn die durch die Natur gesetzte Freiheit kennt dieser Mensch und diese Gesellschaft nicht; sie wären unfrei, ohne sich dessen bewusst zu sein, da die Reflexion fehlt. Zu guter Letzt lohnt sich eine kurze Beschäftigung mit der Frage nach einem physiozentrischen Wert der Natur. Hier lässt sich zum einen eine Schelling folgende Argumentation anführen. Da der Natur Prinzipien innewohnen und sie selbst schaffen sowie menschlich agieren kann, wird sie zum handelnden Subjekt, womit ihr Raum und Freiheit zustehen; zudem könnte man hier, solange man nicht an eine von einer Transzendenz gesetzten, besonderen Position des Menschen auf Erden glaubt, die These aufstellen, dass, wenn der Mensch als aus der Natur entstammendes Wesen als Subjekt zu betrachten ist, dieses zwar nicht auf jedes Wesen der Natur, aber zumindest auf die Natur als Gesamtheit zutrifft, da sie den Menschen hervorgebracht hat. Die Überlegenheit oder die Andersartigkeit der Menschen gegenüber der Natur und den anderen Lebewesen ist nicht von der Hand zu weisen, sei es das Akzidenz der Vernunft, die Möglichkeit der Selbstreflexion oder das vorausschauende und rückblickende oder das begriffliche Denken. Aus dieser Andersartigkeit und dem Potential der Beherrschung muss aber keine faktische Beherrschung erfolgen; aus dieser Position heraus kann man anerkennen, dass eine Verantwortung den Menschen gegenüber der Natur besteht, weil sie zwar nicht gleich, aber ihnen ähnlich ist.

Das Ideal, Mensch und Natur in Einklang zu bringen, darf durchaus als lächerliche Rhetorik verstanden werden; die Natur bleibt allen Lebewesen feindlich, ein Einklang im Schatten städtischer Hochhäuser erscheint grotesk. Vielmehr ist eine Versöhnung angebracht; Menschen müssen lernen, was die Natur ist, sie erleben, sie empfangen, sie kennen, sie respektieren und lieben; ihr als Subjekt begegnen. Eine Unterwerfung der Menschen unter diese oder Gleichwertigkeit entbehrt allerdings der Realität; davor sind wir ihr zu stark enteilt; aber anzuerkennen, dass sie unsere Historie, unser Spiegelbild ist, anerkennen, dass wir immer noch ihr entstammen und den Punkt, an dem eine lebenssichernde Emanzipation stattfindet, längst überschritten ist, das ist unsere Aufgabe; dabei dürfen wir nicht vergessen, dass wir selbst der Natur entstammen und aus einer höheren Stellung kein Recht, sondern eine Verantwortung erwächst. Aus diesem Bewusstsein sollten wir ein breiteres gesellschaftliches Naturverständnis ableiten, das zentral für den Versuch ist, den Klimawandel entgegenzutreten, nicht durch direktive moralische Imperative und diktierte Freiheitsbeschneidungen, sondern durch Menschen, die der Natur in ihrer Gesamtheit begegnen, sie anerkennen und schätzen.

Inhaltliche Quellen:

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/ethik-und-philosophie/daoismus-seele-china-thema100.html

https://oeh.univie.ac.at/zeitgenossin/natur-und-versohnung

https://www.bpb.de/apuz/305897/zum-verhaeltnis-von-mensch-und-natur

https://www.philomag.de/artikel/schelling-und-die-klimakrise

Kaulbach, Friedrich. 1982. „Nietzsches Interpretation der Natur.“ Nietzsche-Studien. Band 10. Heft 1. Seiten 442-481.

Leopold, Aldo. 1949. A Sand County Almanac. Oxford: Oxford University Press.

Spengler, Oswald. 1931. Der Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens. München: C. H. Beck.

Quelle des Bildes: Alexej von Jawlensky, Füssen, 1905, Öl auf Pappe, 38 cm x 49,9 cm x 0,5 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Dauerleihgabe der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung, München. CC BY-SA 4.0
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/fuessen-30031548 (Änderungen wurden am Bild vorgenommen)

Holistische Ansätze beim Klimaschutz in Paris

In Paris, wie in vielen anderen Städten weltweit, litt die Bevölkerung unter den erdrückenden Hitzewellen dieses Sommers. Nun startet die Stadt ein neues, holistisches Projekt, um die Temperatur in der Innenstadt zu senken: bis 2040 sollen alle 800 Schulhöfe in Paris grün sein.

Genügend Grünflächen können die Temperaturen um bis zu 5° herunterfahren und somit die Hitzewellen abschwächen. Die Schulen müssen wegen der enormen Hitze nicht schließen (in Schulhöfen wird es dank des Betons bis zu 55° heiß und französische Schulen machen an bis zu 30 Tagen im Jahr Hitzefrei). Die neuen Grünflächen sollen für die Öffentlichkeit außerhalb der Schulzeiten frei zugänglich sein und somit auch bei schwächeren Leuten Abkühlung ermöglichen sowie soziale Integration vorantreiben.

Mehr zu dem Thema könnt ihr hier lesen.

Oh My Google

In einem Kommentar des Guardian merkt Arwa Mahdawi an, dass Unternehmen wie Google, Amazon und Facebook außer Kontrolle geraten sind, was Datenschutz anbelangt. Google speichert Standorte, auch wenn man in seinen Einstellungen genau das nicht erlaubt – Konsequenzen sind dagegen nicht absehbar. Die Relevanz, die Unternehmen wie Google und co. inzischen haben ermöglicht ihnen, mit Datenschutzverletzungen ohne weiteres davonzukommen. Doch darin drückt sich ein Weltbild aus, dass viele Leute nicht teilen – eines, in dem Privatssphäre nicht nur nicht respektiert sondern zunehmend ganz beseitigt wird.

In dem Artikel des Guardians findet ihr außerdem heraus, wie ihr die Standorteinstellungen (wirklich?) ändern könnt.