SICoR präsentiert Wissenschaft – Klimawandel, Institutionenwandel und Wirtschaftswachstum

In dem Artikel „Climate change and institutional change: what ist he relative importance for economic performance?” von Otto Brøns-Petersen und Søren Havn Gjedsted untersucht diese den Einfluss und die Wechselwirkungen zwischen dem Klima und der Institutionenqualität (gemessen anhand der ökonomischen Freiheit) auf das Wirtschaftswachstum; dabei werden erstmals die beiden Faktoren als Grundbedingungen des Wirtschaftswachstums zusammengeführt und gemeinsam betrachtet.

In der Forschungsliteratur wurden sehr starke Auswirkungen temporärer Klimaeffekte auf das Wirtschaftswachstum gemeldet. Eine temporäre Klimaerwärmung um 1°C könne eine 1,4-prozentige Reduktion im Wirtschaftswachstum pro Jahr bewirken. Bei einem länger andauernden Schock sei sogar durch langfristige Effekte in Bezug auf Gesundheit und Bildung mit stärkeren Auswirkungen zu rechnen. Eine höhere Qualität der Institutionen eines Landes werde mit höheren Wachstumsraten in Verbindung gebracht, da Institutionenqualität innovations- und investitionsförderndes Verhalten von Individuen beeinflusst.  

Der Zusammenhang der drei Größen wird durch eine Regressionsanalyse basierend auf Paneldaten untersucht. Die Autoren finden keinen allgemeinen Einfluss des Klimas auf die Institutionenqualität, lediglich in sehr armen Ländern lässt sich ein leichter Zusammenhang finden; diese Ergebnisse seien aber höchstwahrscheinlich ohne großen Aussagegehalt für Zeiten, in denen der Klimawandel zu deutlichen Konsequenzen führe. Die Auswirkungen von Klimaänderungen auf das Wirtschaftswachstum hängen entscheidend von der Ausgangstemperatur ab; bei einer durchschnittlichen Ausgangstemperatur von über in etwa 12,5°C habe eine Erwärmung des Klimas negative Konsequenzen, darüber hinaus ein negativen, der faktisch den Großteil der Bevölkerung der Erde umfasst.

Aber warum sind diese Ergebnisse relevant? In Hinblick auf dem Klimawandel zeigen sie vor allem die Problematik zahlreicher Entwicklungsländer auf, in denen häufig gleichzeitig eine schlechte Institutionenqualität und hohe Durchschnittstemperatur herrscht. Dies mache diese Länder besonders anfällig für die negativen und wachstumsunterbindenden Effekte des aufkommenden Klimawandels. Daher besteht eine Art entwicklungspolitisches Dilemma, welches effektive Maßnahmen erschwert. Folglich sollten in Rahmen eines internationalen Engagements Politiken angestrebt werden, mit denen es gelingt, sowohl die Institutionen zu verbessern als auch effektive Klimapolitik voranzutreiben.  

Den vollständigen Artikel als PDF-Datei findet ihr bei Interesse unter dem folgenden Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s10018-020-00290-7

Quelle: Brøns-Petersen, Otto; Søren Havn Gjedsted. (2021). „Climate change and institutional change: what is the relative importance for economic performance?” Environmental Economics and Policy Studies 23: 333-360.

Der neue Bericht des Club of Rome – „Rising Inequality Risk Regional Collapse and Climate Catastrophe

Vor einigen Tagen veröffentlichte der Club of Rome eine neue Studie unter dem Namen „Earth for All – A Survival Guide for Humanity“. Diese Studie wurde in einem mehrjährigen Forschungsprojekt von zahlreichen Wissenschaftlern verfasst und beleuchtet, inwiefern Veränderungen des wirtschaftlichen Systems die Zukunft der menschlichen Zivilisation beeinflussen.

Innerhalb des Berichtes stellen die Forscher zwei Szenarien vor; Too Little, Too Late (Zu wenig und zu spät) sowie The Giant Leap (Der Große Sprung); diese Szenarien bewerten, wie Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Ressourcen- und Verschmutzungsentwicklungen der Zukunft aufgrund Entscheidungen innerhalb dieser Dekade langfristig beeinflusst werden.

Das Too-Little-Too-Late-Szenario beschreibt eine Situation, in der die Welt in ihren ökonomischen Bahnen der letzten vierzig Jahre weiterfährt, sodass Ungleichheit und soziale Spannungen innerhalb sowie zwischen Ländern zunehmen; damit sei ein adäquates Begegnen der Probleme des Klimawandels nur eingeschränkt möglich, der Lebensstandard sinke entsprechend.

Das Giant-Leap-Szenario präsentiert hingegen einen möglichen Lösungsweg, durch welchen der Temperaturanstieg bis auf unter 2°C begrenzbar sei; zudem stabilisiere sich dabei die Weltbevölkerung auf etwa neun Milliarden Menschen bis 2050, die alle nicht mehr in Armut leben müssten. Durch entsprechende Politiken solle es gelingen, dass globale Armut endet, soziale und geschlechterbezogene Ungleichheit abnimmt, die Landwirtschaft sich wandelt und eine vollständige Transition hin zu sauberen Energiequellen bis 2050 stattfindet; dafür seien laut den Autoren der Studie nur 2-4% des jährlichen BIP an gezielten Investitionen notwendig, Finanzquellen, die durch Vermögenssteuer und ähnliche Instrumente abgeschöpft werden sollen.

Insgesamt liege damit die Zukunft der Erde in unseren Händen der Gegenwart. Ein beherzter und konsequenter Wandel könne eine lebenswertere und gerechtere Welt hervorbringen, während eine Fortführung der momentanen Art und Weise des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens zukünftig in Armut, sozialen Konflikt, Leid und massiver Schädigung der Umwelt münde.

Eine ausführlichere Zusammenfassung findet ihr auf der Website des Club of Rome unter diesem Link:

Bildquelle: Wassily Kandinsky, Apokalyptische Reiter I, 1911, Tusche, Öl, Blattmetall hinter Glas, in bemaltem, originalem Rahmen, 29,5 cm x 20,3 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Gabriele Münter Stiftung 1957
https://www.lenbachhaus.de/entdecken/sammlung-online/detail/apokalyptische-reiter-i-30013101

SICoR Buchrezension – „The Structure of Scientific Revolutions“

Mit seinem Werk “The Structure of Scientific Revolutions” (dt. “Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen”) hat Thomas S. Kuhn im Jahre 1962 nachhaltig das unsrige Verständnis der Wissenschaften gewandelt und geprägt. Als promovierter Physiker wechselte er Anfang der 1950er-Jahre sein Feld hin zu dem Gebiet, das ihm berühmt machen sollte, der Geschichte und der Philosophie der Wissenschaft. Kuhns Werk stellt einen Versuch dar, das Bild der Wissenschaften als lineare Akkumulation von Wissen zu überwinden zugunsten eines Prozesses, der durch normal science und Revolutionen charakterisiert ist.

Kuhn beginnt mit der Beschreibung von normal science, also dem „normalen“ Wissenschaftsbetrieb, eine Aktivität, die nach Kuhn mit dem Lösen durch Rätsel vergleichbar seien, die innerhalb eines gewissen Wissensstandes der jeweiligen Wissenschaft offen sind und dabei vor allem aus der Bestimmung zentraler Tatsachen, der Anpassung von Tatsachen und Theorie sowie der Artikulation der theoretischen Grundalgen bestehen; damit strebe der normale Wissenschaftsbetrieb nicht nach Novitäten, was aber nicht deren Wichtigkeit unterminiere. Im Anschluss stellt Kuhn sein Konzept des Paradigmas vor. Dieses beschreibt er als eine Art Menge geteilter Überzeugungen, die innerhalb einer Wissenschaft zu einer gegebenen Zeit bestehen und die Existenz und Art und Weise des Angehens von wissenschaftlichen Problemen beschreiben. Diese Paradigmen werden nach Kuhn aber hinterfragt, wenn mit der Zeit immer mehr Anomalien auftreten, also zum Beispiel die Beobachtung von in der Welt auftretender Tatsachen, die nicht mit dem theoretischen Grundgerüst vereinbar sind. Dieses Hinterfragen mündet in Krisen, in denen das bisherige Paradigma nicht mehr ausreichend dem wissenschaftlichen „Normalbetrieb“ als Fundament dienen kann. Daraus ergibt sich mit dem Aufkommen eines neuen Paradigmas eine wissenschaftliche Revolution, wenn eine ausreichende große Anzahl der praktizierenden Wissenschaftler sich dem neuen Paradigma verschreibt, der so bezeichnete Paradigmenwechsel, gewissermaßen ein Wechsel in der Weltanschauung der praktizierenden Wissenschaftler.

Das Werk ist für alle lesenswert, die die wissenschaftliche Praxis und den wissenschaftlichen Fortschritt besser und differenzierter verstehen wollen. Dies erreicht Kuhn in einer relativ leichter und analytischer Sprache und mithilfe zahlreicher Rückgriffe auf viele praktische Beispiele aus der geschichtlichen Entwicklung der Physik und der Chemie. Dabei gelingt es ihm auch, durch ein differenzierteres und zumindest in den Augen vieler artgerechteres Bild der wissenschaftlichen Erkenntnis den Prozess der wissenschaftliche Wahrheitssuche zu nuancieren; obgleich einige Skeptiker sein Werk als Legitimation für ihr Denken nahmen, sollte man vielmehr schätzen, dass es Kuhn in überzeugender Weise gelingt zu zeigen, dass der wissenschaftliche Prozess zwar, wie so vieles, kein lineares Fortschreiten hin zu ewigen Wahrheit ist, aber ein kurvigen Weg in Richtung einer Wissenschaft, die immer mehr und immer zufriedenstellender die ihr auferlegten Aufgaben angehen kann. Diese Haltung kann gerade in den heutigen Zeiten dabei helfen, Kritik an idealisierenden Tendenzen in der Wissenschaft zu adressieren, ohne dabei in einen Nihilismus zu verfallen, und somit im Endeffekt das Vertrauen in die Wissenschaften zu stärken.

Kuhns “Structure” hat sich den Ruf eines der einflussreichsten Sachbücher des vergangenen Jahrhunderts erarbeitet, indem er den Verlauf der wissenschaftlichen Praxis und des wissenschaftlichen Fortschritts neu strukturierte und erklärte als einen Prozess, in welchem wissenschaftliche Revolutionen die Zeiten von normal science durchbrechen, eine Abkehr von bis dahin dominierenden linearen Akkumulationstheorien.  Auch wenn es umfangreiche Kritik erfahren hat, die auf Aspekte, wie die Abgrenzbarkeit zwischen Zeiten szientistischer Revolutionen und normal science oder auf Probleme mit der Kuhnschen Inkommensurabilitätsthese, abzielt, lässt sich der Einfluss des Buches auf unser Verständnis von Wissenschaft kaum abstreiten, womit es auch sechzig Jahre später noch von ununterbrochener Relevanz ist, wenngleich die Welt der Wissenschaften sich in den dazwischenliegenden Dekaden stark gewandelt hat.

Warum Demokratien bei der Bekämpfung des Klimawandels scheitern

Man könnte erwarten, dass Demokratien aktiver den Klimawandel bekämpfen als Nicht-Demokratien. Demokratien sollten mehr die Lebensqualität ihrer Bewohner berücksichtigen, während autoritäre Regime mehr die Interessen ihrer eigenen Machthaber vertreten. Zudem sollten demokratische Institutionen eine höhere Responsivität in Bezug auf soziale und wissenschaftliche Stimmungen/Meinungen für mehr Klimaschutz aufweisen. Und die der Demokratie inhärente Idee von Legitimität sollte zu mehr Kooperation und Austausch zwischen Bürgern untereinander und zwischen den Bürgern und Staat führen.

Empirisch findet sich für diese Hypothese aber nur begrenzte Unterstützung. Bürger in Demokratien haben in der Tat stärkere Präferenzen für die Ökologie bewahrende Politiken. Zudem verpflichten sich Demokratien auch zu strengeren ökologischen Auflagen, z.B. in Rahmen von internationalen Verträgen. Trotzdem ist das empirische Verhältnis zwischen Demokratie und gängigen Ökologievariablen, wie Abholzungsraten, C02-Emissionen oder Bodenerosionen, ambivalent; zahlreiche Studien finden nur einen leicht positiven oder keinen Zusammenhang, einige berichten sogar von einem negativem. Dabei ist spannend, dass innerhalb dieses Zusammenhanges demokratisches Kapital (also die Jahre des Auftretens von Demokratien in einem Land) einen positiven Einfluss auf ökologische Faktoren hat, aber dann nicht mehr das Vorhandensein einer Demokratie selbst. Dies impliziert möglicherweise, dass die positiven Aspekte der Demokratie nicht in den Strukturen selbst, sondern vielmehr in den vermittelten Werten und Selbstverständnis liegen, die Zeit brauchen, um zu wachsen.

Für diesen Zusammenhang gibt es zahlreiche mögliche Ursachen. Das größte Problem, welches alle Staaten dieser Welt betrifft, ist das internationale kollektive Handlungsproblem; also, dass der Einsatz eines Staates für mehr Klimaschutz und geringen Emissionen nicht rational ist, solange nicht andere Länder ebenfalls handeln. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die allgegenwärtige Kurzfristorientierung in Demokratien, also eine Priorisierung der Gegenwart über die Zukunft, was in Demokratien wegen Wahlzyklen und machtgetriebenen politischen Akteuren häufiger auftritt, wodurch Klimapolitiken, die häufig die lange Frist betreffen, nicht adäquat berücksichtigt werden. Außerdem spielen auch Veto-Akteure eine relevante Rolle, da diese die Macht haben, Entscheidungen zu blocken, abzuschwächen oder zu verzögern. Dies ist besonders in Hinblick auf Klimapolitik problematisch, da viele divergierende Interessen aufeinandertreffen und Minderheitsinteressen in Bezug auf Klimapolitiken nicht selten einen hohen politischen Einfluss und Unterstützung haben (z.B. die Kohlelobby). Darüber hinaus haben umweltpolitische Maßnahmen sehr häufig Verteilungseffekte, da je nach Maßnahme unterschiedliche Gruppen entsprechend schwächer oder stärker getroffen wären und diese für jeweils andere Maßnahmen entsprechend Lobbying betreiben oder die Politiken überpolitisieren. Zuletzt spielen auch die Eigeninteressen politischer Akteure, die suboptimale Entscheidungen treffen, um sich selbst zu bereichern, was besonders im Bereich der Umweltpolitik leicht realisierbar ist, und das wachsende Misstrauen gegenüber Experten in entwickelten Industrienationen, welches gerade in pluralistischen Demokratien, u.a. getrieben durch Social Media, auf dem Vormarsch ist, einen entscheidenden Beitrag zum Problem.

Diese Probleme könnten durch einige Lösungsansätze abgeschwächt werden. Um das internationale kollektive Handlungsproblem abzumildern, könnte nach einer Idee des Wirtschaftsnobelpreisträgers Nordhaus ein Klimaklub errichtet werden, welcher auf Basis eines einheitlichen CO2-Preises und durch Strafzölle gegenüber Nichtmitgliedern das Trittbrettfahrerproblem umgehen soll. Weiterhin könnte die Kurzfristorientierung der Politik durch die Errichtung von Institutionen, die langfristige Maßnahmen bindend machen, sowie durch ein erhöhtes öffentliches Bewusstsein vermieden werden. Verteilungseffekte umweltpolitischer Maßnahmen könnte man durch bindende Kompensationsmechanismen unterbinden. Zuletzt könne man Eigeninteressen der politischen Akteure durch mehr Transparenz und eine erhöhte Medien- und Wählerinvolvierung abmildern.

Demokratie wirken weniger dem Klimawandel entgegen, als man aus einer Vielzahl an Gründen annehmen könnte. Ursachen für diesen Sachverhalt liegen in dem internationalen kollektivem Handlungsproblem, einer Kurzfristorientierung der Politik, der Rolle von Veto-Akteuren im politischen Wettkampf, implizierten Verteilungseffekte durch Umweltpolitiken, Eigeninteressen politischer Akteure und einem wachsenden Misstrauen gegenüber Experten; ein Ausweg aus der Situation wird nicht einfach sein, aber Wege existieren und tun sich auf, vorausgesetzt eine breite Basis in der Bevölkerung und Politik tragen diese.

Bei Fragen zu den zugrundeliegenden Quellen, könnt ihr uns gerne per E-Mail anschreiben.

SICoR präsentiert Wissenschaft I – Klimawandel, Landnutzung, Algen, Ungleichheit und Insekten

Diese Beitragsreihe findet seit einiger Zeit auf unseren Plattformen in den sozialen Medien statt. Aug unserer Website werden die Beiträge immer nach vier Beiträgen zusammengetragen, sodass ihr diese auch ihr verfolgen könnt. Erwarten könnt ihr einen neuen Beitrag etwa jede anderthalb Monate.

Im Buch „Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel“ herausgegeben von Horst Gömann und Johanna Fick wird der Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Nutzung der verfügbaren Landflächen durch den Menschen untersucht. Basierend auf einer Analyse des momentanen Ist-Zustandes der Landnutzung in Deutschland zeigen die Autoren Strategien auf, wie die produktive Landnutzung in Land- und Forstwirtschaft sowie in den Bereichen Siedlung und Verkehr zum Erreichen der aktuell verfolgten Klimaziele beitragen könnte. Der Themenkomplex der Landnutzung wird einerseits durch den Klimawandel und seinen Auswirkungen selbst beeinflusst, sei es durch Akutwetterlagen oder durch eine Vielzahl ökologischer Probleme. Andererseits ist die Landnutzung aber auch durch ihre Treibhausgasemissionen ein relevanter Teilbereich der Umweltpolitik; zwar liegt der Anteil nur etwa bei 10%, allerdings fehlen weitgehend konkrete Maßnahmen und Ziele, woran folglich die Autoren anknüpfen. Insgesamt hinterfragt also der Klimawandel die gegenwärtige Landnutzung bzw. stellt sie vor neue Herausforderungen.

Die Autoren kommen zu einer Vielzahl an Ergebnissen bzw. entwickeln einige Empfehlungen, wie mithilfe effizienterer Landnutzung gesellschaftlich verträglicher Klimaschutz betrieben werden könnte. Im Bereich der Landnutzung durch Siedlungsbau und Verkehr wird untersucht, inwiefern sich der momentane Anstieg der Flächennutzung für Siedlung und Verkehr reduzieren ließe – ein bedeutendes Ziel, da eine erhöhte Flächennutzung in diesem Bereich die produktiv nutzbaren Flächen reduziert, was bei nicht veränderten Konsumpräferenzen zu erhöhten Importen und damit steigenden Treibhausgasemissionen führt. Laut den Autoren ließe sich durch simple Maßnahmen zugunsten einer effizienteren Verkehrs- und Gebäudeinfrastruktur, besonders durch eine umfassendere Wohnraumnutzung, Entsieglung verbauter überflüssiger Flächen und ÖPNV-Ausbau, der Flächenzuwachs in diesem Bereiche halbieren; dabei wäre die Einführung einer Klimaschutzabgabe auf die Flächenneuinanspruchnahme zu empfehlen, um die negativen Effekte abzudämpfen; klimaanpassende, somit nicht primär schützende Maßnahmen ermöglichen in diesem Feld keineswegs eine ähnliche Reduktion.

Im Bereich der Landwirtschaft prognostizieren die Autoren, dass ohne Maßnahmen die Emissionen und Landnutzung in der nächsten Dekade konstant bleiben. Langfristige Reduktionen sind in diesem Bereiche möglich durch Wiedervernässung/Vermoorung und Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen sowie durch Reduktion der Stickstoffdüngung durch Einführung einer Abgabe auf mineralische Stickstoffdünger. Außerdem wird eher von dem Anbau von Biomasse wegen negativer externer Effekte abgeraten; stattdessen wird empfohlen, das durch Befragungen ermittelte Interesse am lokalen Umweltschutz als Vehikel für Klimaschutz zu verwenden. Weiterhin wird die Bedeutung des Abbaus von Fehlanreizen und stärkerer Berücksichtigung klimaschutztechnischer Belange in der Förderung, u.a. die Empfehlung der Errichtung eines Fonds zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten, hervorgehoben; zuletzt wird angeregt, Fokus auf Bereiche mit positiven Synergien zu legen (z.B. Klimaschutz & Naturschutz), um damit öffentliche Güter mit positiven Effekten unabhängig ihrer klimaschützenden Wirkung zu begünstigen.

Das vollständige Buch als PDF-Datei findet ihr bei Interesse frei verfügbar unter dem folgenden Link:

https://library.oapen.org/handle/20.500.12657/47313

Quelle: Gömann, Horst/Johanna Fick (Hrsg.). 2021. Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klimawandel. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

In dem Kapitel „Algae for global sustainability“ versuchen die Autorinnen, Lösungen auf Basis von Algen für zukünftig kommende Herausforderungen der Entwicklung darzulegen. Ihr Ziel ist demnach das Aufzeigen von Möglichkeiten, wie Algen zu dem Erreichen einige der zentralen SDGs beitragen könnten. Von diesen Ideen werden im Folgenden einige vorgestellt werden. 

Mithilfe des konzentrierten Anbaus von Algen in Entwicklungsländern könne eine Gesundheitsverbesserung durch eine Vermeidung von Mangelernährung erreicht werden, da Algen, deren Produktion wenig aufwendig und emissionsarm sei, mikronährstoff-, ballaststoff- und proteinreich sind und damit die in Entwicklungsländern kargen Nährstoffe abdecken. Durch ihre Emissionsarmut und Unabhängigkeit von Landflächen seien sie aber auch für eine Aufrechterhaltung einer vollwertigen Ernährung in entwickelten Ländern im Hinblick auf etwaige Entwicklungen durch den Klimawandel bedeutsam. Außerdem habe die Alge als aufstrebender Wirtschaftszweig Potential, zukünftig Wachstum und Beschäftigung zu bedingen und somit auch Armut zu verringern. Dies könne ausdrücklich Entwicklungsländern und deren Küstengebieten helfen, die häufig in Angesicht der gegenwärtigen Überfischung und Verschmutzung akut unter Armut leiden; eine Implementation dieser neuen landwirtschaftlichen Bereiche sei durch geringe Kapitalerfordernisse zudem gut umsetzbar.

Weiterhin erscheinen Algen als vielsprechende Energiequelle der „Zukunft“; die Alge habe große Entwicklungsmöglichkeiten als vorteilhafter Biotreibstoff, weil sie die Probleme klassischer Biotreibstoffquellen löse, nämlich Wasser- und Landverbrauch, Emissionen und negativer externe Umwelteffekte, sowie Potential als Butanolquelle (Butanol gelte als vielversprechender Ansatz in der Biotreibstoffforschung) habe; allerdings bestehe dort noch die Notwendigkeit des Erschließens neuer Technologien für einen breiten Algeneinsatz zu diesem Zwecke.

Zudem nehmen die Algen eine zentrale Rolle in dem Schutz und der Aufrechterhaltung der Biodiversität innerhalb der maritimen Lebensräume ein. Allgemein sei eine Übersäuerung der Meere prognostiziert, die aus Treibhausgaszunahme und anthropogene Verschmutzung, z.B. durch chemische Substanzen, Antibiotika oder Plastik, resultiert. Besonders Stickstoff und Phosphor seien verantwortlich für die drohende Übersäuerung und daraus folgender schädlicher Algenblüte (eine plötzliche, massenhafte Vermehrung von Algen); letztere resultiere in einer Hypoxie (Sauerstoffarmut) der Meere, wodurch das maritime Leben akut gefährdet ist – eine Bedrohung für den „Nahrungskreislauf“ im Meer und die Senkenfunktion der See (Speicherkapazitäten von Treibhausgasen). Dieser Problematik können „gute“ Algen entgegenwirken, da sie durch ihre zentrale Rolle als grundlegende Nahrungsquelle einen zentralen Platz in der Aufrechterhaltung der Lebensräume von Meereslebewesen einnehmen und eine natürliche Wiederherstellung/Aufbesserung der Ozeane erreichen können; ebenso könne die Alge als Treibhausgas-speichernde Substanz sowie als Wasserfilter dienen.

Somit verdienen Algen eine erhöhte Aufmerksamkeit auf allen Ebenen in dem Kampf gegen den Klimawandel, da diese ein potentiell zentraler Baustein für das Erreichen einer auf globaler Ebene holistisch nachhaltigen Gesellschaft sein könnten, indem Algen unter anderem als Emissionsspeicher, energetisch nutzbare Biomasse, Schützer der Biodiversität und Verbesserer der Wasserqualität dienen könnten; und dies verbunden mit einem überwiegend schnellen und anspruchslosen Wachstum.

Das vollständige Kapitel als PDF-Datei findet ihr bei Interesse frei verfügbar unter dem folgenden Link:

https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S006522962100015X

Quelle: Bourgougnon, Nathalie; Burlot, Anne-Sophie; Jacquin, Anne-Gaëlle. (2021). „Algae for global sustainability?“ in Jean-Pierre Jacquot (Hrsg.). Advances in Botanical Research. Past, Current and Future Topics. London: Academic Press: 145-212.

In dem Artikel „Persistent inequality in economically optimal climate policies” analysieren die Autoren mithilfe des Standard-DICE-Modells (wird eingesetzt zu ökonomischen Kosten-Nutzen-Evaluation des Klimawandels und entsprechender gegenwirkender Maßnahmen) die Entwicklung der globalen Ungleichheit unter verschiedenen global-klimapolitischen Szenarien. Dieses Modell münde unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel in etwa in eine optimale Politik, die auf eine Begrenzung der Temperaturerhöhung auf 2°C abzielt (allerdings sind diese Ergebnisse durchaus etwas arbiträr, da die Wahl der einzelnen Parameter, insbesondere derer, die zukünftigen Konsum gegenüber heutigen und die Interessen zukünftiger Generationen gegenüber denen der heutigen gewichten, stark umstritten ist). Allerdings basiere diese Optimalität des 2°-Zieles auf der Betrachtung der Erde als eine einzelne Region. Berücksichtige man die Heterogenität zwischen den Regionen, dann sind sehr unterschiedliche Temperaturziele für sehr verschiedene Regionen optimal. Zur genaueren Analyse dieser variierenden Optimalität werden drei Szenarien aufgestellt: (i) business-as usual (Entwicklung, wenn alles weiterlaufen und der Klimawandel nicht existieren würde), (ii) nicht-kooperatives Gleichgewicht (Staaten verfolgen mit ihrer Klimapolitik ihre individuellen Interessen), (iii) kooperatives Gleichgewicht (alle Staaten verfolgen die Strategie, die für die Welt als Einheit optimal ist). Eine zentrale Rolle in der Problematik spielt der bekannte Sachverhalt, dass im Durchschnitt die Entwicklungsländer sowohl schärfer durch die Auswirkungen des Klimawandels getroffen werden als auch entsprechend höhere Mitigationskosten haben.

Der Artikel kommt zu einem zentralen Ergebnis. Der Versuch, den Klimawandel durch kooperative oder nicht-kooperative Strategien zu bekämpfen, führe im Vergleich zu einem business-as-usual Szenario (also ohne Berücksichtigung der Klimawandelseffekte) zu einer deutlich erhöhten globalen Ungleichheit und unterbindet wahrscheinlich die seit Dekaden partiell stattfindende Konvergenz zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern; allerdings führen kooperative Strategien besonders unter Berücksichtigung gewisser Kompensationszahlungen zu einem deutlichen niedrigerem Niveau an globaler Ungleichheit als die Verfolgung individueller Strategien in einem nicht-kooperativem Szenario; allerdings stellen sich zahlreiche Länder (absolut gesehen) durch die Verfolgung einer solchen Strategie schlechter.

Daraus lassen sich nun mehrere Schlussfolgerungen ableiten, wenn ein Interesse, sei es aus ethischen oder aus politischen Gründen, am Vermeiden einer globalen Einkommensdivergenz besteht. Man benötige eine institutionell verankerte kooperative Strategie, um die einkommensdivergenten Effekte des Klimawandels zu beschränken. Verstärkte globale Ungleichheit bestehe auch fort, wenn man annimmt, dass reichere Staaten eine Aversion für Ungleichheit haben und damit Transferleistungen an betroffene Staaten zahlen. Weiterhin brauche es bessere Adaptionsmaßnahmen und -technologien, um stärker betroffenen Ländern, die durch die Effekte des Klimawandels in Armut verfallen würden, zu helfen, und auch andere Ansätze, um dem Steigen der globalen Ungleichheit durch die Auswirkungen des Klimawandels keinen neuen Anschub zu geben.

Den vollständigen Artikel als PDF-Datei findet ihr bei Interesse frei verfügbar unter dem folgenden Link: https://doi.org/10.1038/s41467-021-23613-y

Quelle: Gazotti, Paolo; Johannes Emmerling; Giacomo Marangoni; Andrea Castelletti; Kaj-Ivar van der Wijst; Andries Hof; Massimo Tavoni. (2021). “Persistent inequality in economically optimal climate policies.” Nature Communications 12.

In dem Artikel „Agricultural intensification and climate change are rapidly decreasing biodiversity” von Peter H. Raven und David L. Wagner geben diese einen kurzen Überblick über das gegenwärtig stattfindende menschlich induzierte Artensterben, ausgelöst durch die sich immer weiter industrialisierende Landwirtschaft und verstärkt durch die Effekte der Erderwärmung.

Dem Menschen seien immer noch nur ein kleiner Bruchteil der Arten bekannt; in der heutigen Zeit tragen etwa 2 Millionen Lebewesen und Pflanzen einen menschgegebenen Namen, aber die meisten Schätzungen gehen von mindesten 10 Millionen verschiedenen Spezies. Folglich sei es schwer, genau zu beziffern, wie schwerwiegend das Artensterben sei, allerdings sprechen viele Indikatoren und Analysen für ein deutlich voranschreitendes Artensterben, sodass man sagen könne, dass ein biologisches Massensterben mit der Industriellen Revolution eingeleitet wurde, welches diesmal nicht durch externe Faktoren, sondern durch den Menschen und dessen Verhalten bedingt sei. So schätze man die gegenwärtige Rate der aussterben Lebewesen pro Jahr auf etwa eintausendfach so hoch im Vergleich zu den letzten Jahrmillionen. In Mexiko sei seit 1950 die Wirbeltierpopulation um circa 60% zurückgegangen, Prognosen erwarten ein Aussterben von etwa 20% aller Lebewesen in den nächsten Dekaden und bis zu 40% bis zum Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts, falls deutlich entgegenwirkende Maßnahmen ausbleiben. Gerade Insekten seien zentral von diesem Aussterben betroffen. Zahlreiche europäische Studien belegen den deutlichen Rückgang vieler Insektenpopulationen. Der Rückgang der Schmetterlingspopulationen begann bereits vor zwei Jahrhunderten, verschärfte sich allerdings seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutlich. Primäre Ursache für diese Entwicklungen sei die Intensivierung der Landwirtschaft durch Mechanisierung, Pestizide, Dünger und Monokulturen. Weiterhin entwickelte die Landwirtschaft durch gestiegene Nachfrage einen höheren Flächenbedarf, der auf Kosten bestehender Wildgebiete, wie Wäldern, Grasflächen oder Mooren, gestillt werde. Auch der populär präsente Rückgang der wilden Bienenpopulationen, deren Beitrag in der Blütenbefruchtung einen geschätzten wirtschaftlichen Wert von 518 Milliarden USD pro Jahr habe, sei auf ähnliche Gründe zurückzuführen. Langsam beginne zudem auch die Klimaerwärmung eine Rolle für das Artensterben zu spielen; v.a. in fragilen Ökosystem wie den tropischen Regenwäldern.  

Es gibt verschiedene Wege mit dieser Problematik umzugehen, die allerdings alle nur einen gewissen Beitrag leisten können. Zum einen ist der Erhalt und Ausbau von Naturschutzgebeten, als Versuch Landschaften hoher Biodiversität zu erhalten, von zentraler Bedeutung. Zudem müsse man Landwirtschaft hinsichtlich ihrer regionalen Auswirkungen näher betrachten und analysieren. Je nach Fläche und Klima sollte man aus Gesichtspunkten der Biodiversität durchaus an industrialisierter Landwirtschaft festhalten und nicht auf nachhaltigere Formen ausweichen, wenn durch entsprechende Ausgleichsflächen die Insektenwelt besser geschützt werden könnte, da bei nachhaltigerer Landwirtschaft gegebenenfalls mit substantiellen Produktivitätsverlusten zu rechnen sei. Weiterhin müsse die zentrale Bedeutung der Begrenzung der Weltbevölkerung betont werden; eine langfristig bestehende, nachhaltig agierende Erde sei nämlich nur bei einer Bevölkerung von zwei bis drei Milliarden Menschen möglich. Schlussendlich sei die Rolle der Insektenwelt und ihrer Diversität für den „natürlichen“ Ablauf der Dinge auf Erde nicht zu unterschätzen.

Den vollständigen Artikel als PDF-Datei findet ihr bei Interesse frei verfügbar unter dem folgenden Link: https://doi.org/10.1073/pnas.2002548117

Quelle: Raven, Peter H.; David L. Wagner. (2021). „Agricultural intensification and climate change are rapidly decreasing insect biodiversity.“ Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A.